„Tante Alma“ — Die Entstehungsgeschichte einer Gaststätte
Die Anfangsgeschichte
„Hallo Eduard“ war eine Begrüßung, die alles ins Rollen gebracht hat. Es war beim Besuch in einem Autohaus mit dem Stern, mein bretonischer Freund war dabei.
„Was machst Du mit der ollen „Kabache“ (altes Haus) in Herdecke, wird Sie abgerissen? Im Zuge der Stadtsanierung haben einige übereifrige Sanierer zuviel abgerissen.“
Daraufhin Eduard Vormann: „Willst Du sie haben?“ Meine Antwort: „Bisse dull?“ Die olle Kabache ist ein Fachwerkhaus, in dem immer schon ein Geschäft gewesen ist.
Bei der Hausgründung eine Bäckerei, danach, nach einem Brand, umgebaut zur Gaststätte. Die Familie Bierwirt, die hundert Meter weiter auch ein Lichtspielhaus betrieben haben, waren lange Zeit die Wirtsleute.
Die Gaststätte „Westfälischer Hof”
Nun zur Gaststätte, die „Westfälischer Hof“ genannt wurde, und die seit langem im Besitz der Vormann Brauerei ist.
Eduard erkundigte sich über meine gastronomischen Fähigkeiten bei meinem Onkel Willi und bei meiner Tante Erna, die Jahrzehnte lang Erfahrung als Wirtsleute gesammelt hatten. Ich selbst habe da als Bub geholfen und als Kegeljunge in den Ferien Taschengeld verdient.
Weiterhin habe ich die “harte Gastronomie” in den Szenekneipen und Diskotheken kennengelernt. Mit diesem Fundus sind Eduard Vormann und ich zusammengesessen.
Ich wusste genau, was ich nicht wollte und bin dann mit einem Beil in das seit etwa zwei Jahren leerstehende Gebäude nach Herdecke gefahren. Dort waren ständig ungebetene Gäste ein-und ausgegangen. Die Obdachlosen und Streuner habe ein vermülltes und gebeuteltes Haus hinterlassen. Die Innenräume waren stark verdreckt.
Während ich einige Partien Decken und Wandfläche von Gipskarton und Sperrholzplatten freigelegt hatte, war in meinen Vorstellungen das Aussehen der zukünftigen “Kneipe” fertig geworden. Natürlich habe ich auch geschaut, was in Herdecke an Gastronomie vorhanden war und was fehlte.
Nach eigehender Analyse der Situation war mir das Konzept klar: So etwas wie ein verlängertes Wohnzimmer ohne muffig zu wirken. Vorbehaltlos und generationsübergreifend. “Bürgerliche Gasthäuser” mit teilweise “diktatorischen” Wirtsleuten gab es genug.
Mit dieser Wirteklientel hatte ich von Anfang an Probleme, die aber schnell ausgeräumt wurden. Schließlich bin ich kein Duckmäuser! So wurde schnell für klare Verhältnisse gesorgt.
Neid ist wie Gift, aber der Erfolg ist mir nicht vergönnt gewesen.
Der Name „Tante Alma” kam erst spät
Im Februar 1978 habe ich mit dem Umbau der Alma begonnen, wobei der Name Tante Alma erst sehr spät, einige Wochen vor der Eröffnung, gefunden wurde. Erstmal lagen riesige Aufgaben vor mir: Eichendecke restaurieren, Material beschaffen für die Theke und mit alten Ziegelsteinen aufbauen, Sandsteinplatten für den Fußboden zusammentragen usw.
Die Natursteinmauern sind aus Abraum vom Straßenbau und Bruchmaterial aus dem Steinbruch von Klaus Grandy, die Feldbrandziegel aus Abrisshäusern in Lüdenscheid. Die verbauten Eichenbalken (Theke) aus eigenen Beständen und vom Abriss des Seitengebäudes. Die Thekenbretter waren mal Fußbodendielen.
Fast täglich hat der damalige „Dorfsheriff“, ein liebenswerter, älterer Herr, der immer für ein Schwätzchen gut war, auf der Baustelle vorbeigeschaut, Früher hatte es eine geschätzte Wirtin aus der Familie Bierwirt gegeben, die liebevoll Tante Alma genannt worden war.
In einem Gespräch über sie und ihre tollen Frikadellen hat es bei mir gezündet. „Tante Alma“, so nenne ich das Lokal als Andenken an diese Frau, schließlich war ihr Name noch in den Köpfen vieler Herdecker präsent!
Erst einen Tag vor der Eröffnung, habe ich den Namen preisgegeben, in dem ich ihn über der Eingangstür aufgepaust, und dann mit Pinsel und Malstock ganz langsam aufgemalt habe. Ich vergesse nicht, wie sich die Menschen in den gegenüberliegenden Geschäften die Nase plattgedrückt haben.
Am 26. Oktober 1978, dem letzten Donnerstag in diesem Monat, ist die gemütliche Gaststätte um 20 Uhr mit der französischen Cajun—Musikgruppe „Le Clou“ eröffnet worden: Tante Alma stand Kopf‚ pralle voll, Freibier und fröhliche Livemusik.
Sehr viele Gäste des ersten Tages, sind mir über die Jahre treu geblieben. Eltern haben mir gesagt: Wenn ihre Sprösslinge in die Alma wollten, seien sie unbesorgt, da dort keine Aggressionen geduldet werden.
Die Tante Alma habe ich bis 1984 betrieben.
Rainer Herzog, März 2016